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Wir trauern um Harry Dreifuss

Am 16. Dezember 2020 ist unser Freund Harry Dreifuss gestorben. Wir sind sehr traurig.

Harry Dreifuss wurde am 18. Mai 1935 in Mannheim geboren. Er war erst wenige Monate alt, als seine Eltern und Großeltern sich entschieden, vor der nationalsozialistischen Verfolgung zu flüchten und eine neue Heimat in Palästina zu suchen. So wuchs Harry in Tel Aviv auf, ging dort zur Schule, erlebte das Kriegsende und 1948 die israelische Staatsgründung.

Harry Dreifuss im Lern- und Gedenkort Jawne, 2015 (Foto: Axel Joerss)

Schon als Jugendlicher interessierte sich Harry, der in Tel Aviv den hebräischen Namen „Zwi“ angenommen hatte, für Fotografie. Während seines Dienstes in der israelischen Armee arbeitete er dort auch im Fotolabor und plante anschließend ein Studium von Film und Fotografie in Deutschland. Seine Freundin Tamar Shapiro konnte sich anfangs nicht vorstellen, ihm nach Köln zu folgen, wo Harry an der Fachhochschule für Fotografie eingeschrieben worden war. 1959 heirateten die beiden in Israel. Schließlich entschied sich Tamar doch, zu ihrem Mann nach Köln zu ziehen. Tamar und Harry Dreifuss fanden Anschluss an die Synagogengemeinde, wo Tamar als Erzieherin und Religionslehrerin arbeitete.

Harry Zwi Dreifuss wurde Kameramann und arbeitete für dokumentarische Film- und Fernsehproduktionen. 1962 drehte er in eigener Regie einen kurzen Spielfilm mit dem Titel „Begegnungen“, der eine schwierige Rückkehr aus Israel nach Deutschland thematisiert.
2006 wurde im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln eine Ausstellung über den Lischka-Prozess in Köln 1979/80 gezeigt. Teil dieser Ausstellung war auch die Geschichte von Harry Dreifuss, der 1971 als Kameramann mit Serge und Beate Klarsfeld den NS-Verbrecher Kurt Lischka in Köln aufgespürt und gefilmt hatte.

Schon viele Jahre hatte Tamar Dreifuss als Zeitzeugin an die Geschichte ihrer aus Wilna stammenden Familie erinnert. In den folgenden Jahren engagierten sich Tamar und Harry auch immer wieder gemeinsam in Zeitzeug*innen-Projekten. Harry Dreifuss wurde für Jugendliche und Erwachsene, die sich mit der Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen auseinandersetzen wollten, ein überaus wichtiger Gesprächspartner.

Harry hatte die wunderbare Begabung, auf eine leise und freundliche Art zwischendrin etwas Lustiges zu sagen, auch, wenn es eigentlich im Gespräch um ernste Themen ging. Tamar und Harry warfen sich dabei oft die Bälle zu, und es wurde immer viel gelacht an den Nachmittagen, an denen sie ihre Freunde und Freundinnen in ihr gastfreundliches Haus nach Pulheim eingeladen hatten. Auch das wird uns sehr fehlen.

Im Sommer 2021 werden wir im Lernort Jawne zu einem Erinnerungsabend für Harry einladen.

Wir trauern mit Tamar und der Familie Dreifuss

Köln, im Dezember 2020
Vorstand und Mitglieder des Arbeitskreis Lern- und Gedenkort Jawne