Am 23. Juni 2024 ist im Alter von 100 Jahren unsere liebe Zeitzeugin und Freundin Lore Robinson gestorben. Wir sind unendlich dankbar, dass wir sie 2009 kennenlernen durften. Ihr Besuch im Lern- und Gedenkort Jawne in Köln war der Beginn einer langen Reihe von eindrucksvollen Begegnungen in Köln und in London. Durch Lore haben wir ein Kapitel der Jawne-Geschichte aus der Perspektive einer klugen und selbstbewussten Schülerin kennengelernt. Erzählt hat sie uns auch viel über die Erfahrung des „Kindertransports“ 1939 nach England, das Heranwachsen ohne die Eltern und die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte nach 1945. Wie gut, dass unsere aktuelle Ausstellung auch an Lore erinnert. Das Plakat zur Ausstellung zeigt sie als Kind vor ihrem Elternhaus am Salierring, wie sie an einem recht gefährlichen Zaun heraufklettert. So mutig wie auf dem Foto war sie auch noch in ihren 80ern und selbst mit 100 strahlte sie noch Gelassenheit und Heiterkeit aus.
Wir trauern mit der Familie. Goodbye Lore, we will never forget you.
Dienstag, 21. Mai 2024
Besuch aus den USA
Am Sonntag den 19. Mai 2024 besuchte Lisa Aronson aus Ojai (Kalifornien, USA) den Lern- und Gedenkort Jawne. Lisa ist die Tochter der ehemaligen Jawne-Schülerin Hanneliese Fürst, die im Februar des Jahres 1939 mit einem von Direktor Erich Klibansky organisierten Kindertransport nach Großbritannien ausreisen und so vor weiterer Verfolgung durch die Nazis gerettet werden konnte.
Die Familie Fürst wohnte im Mauritiussteinweg 81, in der Kölner Innenstadt und betrieb dort eine Fabrik für Hüte, Masken und Karnevalszubehör. Während der Pogromnacht im November 1938 wurde das Innere der Fabrik in großen Teilen zerstört, später wurde sie von den Nazis “beschlagnahmt”. Durch großes Glück gelang es Hannelieses Eltern, Herta und Erich Fürst, Arbeitsplätze als Hausangestellte in Schottland zu bekommen und im August 1939 ausreisen zu können. Ihr Sohn Helmut Max wurde bereits 1937 an einer Kunstschule in London angenommen, der zweite Sohn, Hans Hermann, gelangte mit einem Kindertransport zunächst nach Belgien und schließlich nach England. Am 16. Mai 1940 konnte die nun in Großbritannien wieder vereinte Familie Fürst gemeinsam in Liverpool einschiffen und in die USA emigrieren. Andere Teile der Familie starben in verschiedenen Ghettos und Konzentrationslagern.
In den USA hieß die ehemalige Jawne-Schülerin Hanneliese nun Jan (Janet). sie arbeitete unter anderem als Sekretärin für den bekannten Cartoonisten Bill Mauldin und bekam drei Töchter.
Auf den Spuren ihrer Mutter und ihrer Familie besuchte Lisa Aronson in Köln dass Archiv des NS-Dokumentationszentrums, den Lern- und Gedenkort Jawne und den Mauritiuswall 81. Bis auf die Stolpersteine für ihre ermordete Großtante Irma und ihren Mann Ernst Schönholz erinnert dort nichts mehr an die Familie Fürst und ihre Fabrik. Im kommenden Jahr 2025 sollen weitere Steine für die Familie an diesem Ort verlegt werden und Lisa plant bereits mit Angehörigen der Familie dabei sein zu können.
Wir freuen uns schon darauf Dich wieder begrüßen zu dürfen, Lisa!
Die Performance erinnert an Adi Bader (1931-2023), der im Grundschulalter aus seiner Familie in der Engelbertstraße gerissen wurde und in Belgien die Besatzung und den Terror der Nazis überlebte – als “christliches” Kind in einer katholischen Familie, in zwei jüdischen Waisenhäusern, sowie unter falscher Identität in einem Kloster.
Nach einer kurzen Einführung startet die Performance im historischen Schulhof der jüdischen Volksschule Lützowstraße – heute Berufskolleg an der Lindenstraße. Der ehemalige Schulweg der Bader-Brüder führt die Teilnehmenden durch die Mozartstraße zum Yitzhak-Rabin Platz, unweit der ehemaligen Wohnung der Familie Bader.
Vom Schulgong bis zur einbrechenden Dunkelheit vergegenwärtigen die beiden Performer*innen Martina Kock und Taly Journo mit dem Publikum die Erinnerung an Adi Bader und andere gerettete Kinder aus Köln.
Veranstaltungsreihe zum 85. Jahrestag der sogenannten “Polenaktion”
Dienstag, 14. Dezember 2021
Giesberts-Lewin-Preis
Am 22. November 2021 wurden die Zeitzeugin und Shoah-Überlebende Tamar Dreifuss sowie der Lern- und Gedenkort Jawne mit dem Giesberts-Lewin-Preis ausgezeichnet. Mit dem Preis würdigt die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit herausragendes ehrenamtliches Engagement im Einsatz gegen rassistische und antisemitische Tendenzen in der Gesellschaft und für Toleranz und Völkerverständigung in Politik, Gesellschaft und Kultur.
Die Preisverleihung fand in den Räumen des Käthe Kollwitz Museums statt. Unter nachstehendem Link lässt sich die Videoaufzeichnung der Veranstaltung anschauen.
Ausstellung »Gerettet – auf Zeit« Kindertransporte nach Belgien 1938 / 1939 bis zum 1. August 2021 im Kulturkino Vogelsang IP
Die Ausstellung des Lern- und Gedenkorts Jawne in Kooperation mit Anne Prior wird vom 1. April bis zum 1. August 2021 im Kulturkino Vogelsang IP gezeigt. Bitte informieren Sie sich vor Ihrem Besuch auf der Website von Vogelsang IP, ob und unter welchen Auflagen die Ausstellung aufgrund der Pandemie-Lage geöffnet ist.
Das Video der digitalen Eröffnungsveranstaltung, u.a. mit Grußworten ehemals versteckter Kinder und ihrer Nachfahren, lässt sich unter nachstehendem Link anschauen:
Transkripte bzw. Übersetzungen der Grußworte, die in französischer und englischer Sprache gehalten wurden, finden Sie im PDF auf der Homepage des Vogelsang IP.
Aus dem gesamten Deutschen Reich können 1938 und 1939 etwa tausend jüdische Kinder der Ausgrenzung und Verfolgung im nationalsozialistischen Deutschland entkommen: In 17 Kindertransporten werden sie nach Belgien in Sicherheit gebracht – eine nur vorläufige Sicherheit, wie sich spätestens nach der deutschen Besetzung Belgiens im Mai 1940 herausstellt. Ermöglicht werden die Kindertransporte durch das außergewöhnliche Engagement von Organisationen und Individuen in Belgien und im Deutschen Reich.
Die Ausstellung stellt nahezu unbekannte Rettungsgeschichten und die außergewöhnlichen Lebenswege der geretteten Jungen und Mädchen vor. Nicht zuletzt thematisiert sie die große Hilfsbereitschaft der belgischen Bevölkerung, der viele Kinder ihr Leben verdanken.
Wenn Sie Fragen haben oder den Ausstellungskatalog bestellen möchten, können Sie unter info@jawne.de gerne eine Mail schicken.
Donnerstag, 28. Januar 2021
Video »Vernichtungsort Malyj Trostenez«
Dr. Aliaksandr Dalhouski, stellvertretender Leiter der Geschichtswerkstatt »Leonid Lewin« Minsk, erläutert in einer virtuellen Exkursion zum Vernichtungsort Malyj Trostenez die weitläufige Erinnerungslandschaft am Rande von Minsk, der Hauptstadt von Belarus. Dort wurden vom Frühjahr 1942 bis Oktober 1943 mindestens 60.000 Menschen – Partisan*innen, Kriegsgefangene, Juden und Jüdinnen aus Belarus und anderen Teilen der Sowjetunion wie auch aus Deutschland, Österreich und Tschechien deportierte Juden und Jüdinnen – ermordet. Das Video gibt einen Überblick über die während der deutschen Besatzung an diesem Ort begangenen Verbrechen und die Entwicklung der Erinnerungskultur seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute.
Der Lern- und Gedenkort Jawne ist auf besondere Weise mit diesem Ort verbunden: Am 20. Juli 1942 wurden mehr als 1.100 jüdische Männer, Frauen und Kinder aus Köln und dem Rheinland nach Minsk deportiert, darunter viele Schüler:innen der Jawne, sowie Schulleiter Erich Klibansky und seine Familie. Sie alle wurden direkt nach der Ankunft in Malyj Trostenez ermordet.
Das Video wurde vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk Dortmund (IBB-Dortmund) zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2021 veröffentlicht.
Mittwoch, 27. Januar 2021
Online-Gedenkstunde »Löwenbrunnen«
Da wir uns aufgrund der Pandemie diesmal nicht gemeinsam am Löwenbrunnen treffen konnten, haben alle Beteiligten Videobeiträge erstellt, die zu einer Online-Gedenkstunde zusammengefügt wurden.
Wie immer war dies eine gemeinsame Veranstaltung der Synagogen-Gemeinde Köln, des Katholischen Stadtdekanats und des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region in Verbindung mit dem Arbeitskreis Lern- und Gedenkort Jawne.
Unser herzlicher Dank gilt allen Beteiligten der Evangelischen und Katholischen Kirche, der Synagogen-Gemeinde Köln, der Stadt Köln und der drei beteiligten Schulen: Thusnelda-Gymnasium Köln, Schiller-Gymnasium Köln und Collegium Josephinum Bonn. Wir danken dem Amt für Presse und Kommunikation des Ev. Kirchenverbandes für die technische Realisierung dieses Projektes!
Mittwoch, 23. Dezember 2020
Wir trauern um Harry Dreifuss
Am 16. Dezember 2020 ist unser Freund Harry Dreifuss gestorben. Wir sind sehr traurig.
Harry Dreifuss wurde am 18. Mai 1935 in Mannheim geboren. Er war erst wenige Monate alt, als seine Eltern und Großeltern sich entschieden, vor der nationalsozialistischen Verfolgung zu flüchten und eine neue Heimat in Palästina zu suchen. So wuchs Harry in Tel Aviv auf, ging dort zur Schule, erlebte das Kriegsende und 1948 die israelische Staatsgründung.
Schon als Jugendlicher interessierte sich Harry, der in Tel Aviv den hebräischen Namen „Zwi“ angenommen hatte, für Fotografie. Während seines Dienstes in der israelischen Armee arbeitete er dort auch im Fotolabor und plante anschließend ein Studium von Film und Fotografie in Deutschland. Seine Freundin Tamar Shapiro konnte sich anfangs nicht vorstellen, ihm nach Köln zu folgen, wo Harry an der Fachhochschule für Fotografie eingeschrieben worden war. 1959 heirateten die beiden in Israel. Schließlich entschied sich Tamar doch, zu ihrem Mann nach Köln zu ziehen. Tamar und Harry Dreifuss fanden Anschluss an die Synagogengemeinde, wo Tamar als Erzieherin und Religionslehrerin arbeitete.
Harry Zwi Dreifuss wurde Kameramann und arbeitete für dokumentarische Film- und Fernsehproduktionen. 1962 drehte er in eigener Regie einen kurzen Spielfilm mit dem Titel „Begegnungen“, der eine schwierige Rückkehr aus Israel nach Deutschland thematisiert. 2006 wurde im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln eine Ausstellung über den Lischka-Prozess in Köln 1979/80 gezeigt. Teil dieser Ausstellung war auch die Geschichte von Harry Dreifuss, der 1971 als Kameramann mit Serge und Beate Klarsfeld den NS-Verbrecher Kurt Lischka in Köln aufgespürt und gefilmt hatte.
Schon viele Jahre hatte Tamar Dreifuss als Zeitzeugin an die Geschichte ihrer aus Wilna stammenden Familie erinnert. In den folgenden Jahren engagierten sich Tamar und Harry auch immer wieder gemeinsam in Zeitzeug*innen-Projekten. Harry Dreifuss wurde für Jugendliche und Erwachsene, die sich mit der Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen auseinandersetzen wollten, ein überaus wichtiger Gesprächspartner.
Harry hatte die wunderbare Begabung, auf eine leise und freundliche Art zwischendrin etwas Lustiges zu sagen, auch, wenn es eigentlich im Gespräch um ernste Themen ging. Tamar und Harry warfen sich dabei oft die Bälle zu, und es wurde immer viel gelacht an den Nachmittagen, an denen sie ihre Freunde und Freundinnen in ihr gastfreundliches Haus nach Pulheim eingeladen hatten. Auch das wird uns sehr fehlen.
Im Sommer 2021 werden wir im Lernort Jawne zu einem Erinnerungsabend für Harry einladen.
Wir trauern mit Tamar und der Familie Dreifuss
Köln, im Dezember 2020 Vorstand und Mitglieder des Arbeitskreis Lern- und Gedenkort Jawne