Löwenbrunnen

Kindergedenkstätte auf dem ehemaligen Schulhof

Die ehemalige Jawne-Schülerin Henny Franks spricht bei der Gedenkveranstaltung im November 2019 vor dem Löwenbrunnen. (Foto: Rainer Lemaire)

Seit 1990 heißt der Platz zwischen St.-Apern-Straße und Helenenstraße, der frühere Schulhof der Jawne, nach dem letzten Direktor des jüdischen Gymnasiums Erich-Klibansky-Platz.

Auf dem kleinen Platz befindet sich seit 1997 auch die Kindergedenkstätte Löwenbrunnen, die an die Deportation und Ermordung von über 1.100 jüdischen Kindern und Jugendlichen aus Köln während des Nationalsozialismus erinnert.

Auf der Brunnensäule steht die Bronzefigur eines brüllenden und sich verzweifelt zum Himmel reckenden Löwen von Juda – die eine seiner scharfen Pranken erhoben, die andere auf den Tafeln mit den Zehn Geboten ruhend.

Am Löwenbrunnen finden heute, unter Beteiligung von Schülerinnen und Schülern, regelmäßig Gedenkveranstaltungen statt.
Er ist ein Ort der Erinnerung und der Information.

Auf der auf dem Brunnenrand liegenden Plakette heißt es:

Der Löwe von Juda des Bildhauers und Jawne-Schülers Herrmann Gurfinkel steht am Ort eines Zentrums jüdischen Lehrens und Lernens von 1884 bis 1942. Dazu gehörten: die Synagoge der Gemeinde Adass Jeschurun und im Gebäude des Lehrerseminars die Volksschule Moriah, das Gymnasium Jawne mit Realschule und Lyzeum, ab 1939 die Volksschule Lützowstraße. Hier mussten die Kinder der Heime Lützowstraße und Abraham-Frank-Haus mit Familien aus Köln und Umgebung auf ihre Deportation warten. Wir gedenken der über 1100 jüdischen Kinder die zwischen 1938 und 1945 durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft von Köln aus in den Tod getrieben wurden.

Liebe Deinen Nächsten, er ist wie Du

3. Mose 19, 18

Zur Geschichte des Löwenbrunnens

Hermann Gurfinkels 1997 geschaffener “Löwe von Juda” (Foto: M. Paret)

Dieter und Irene Corbach recherchierten bereits seit den 1980er Jahren zur Geschichte der Jawne und der anderen Einrichtungen der orthodoxen Gemeinde Adass Jeschurun, die sich an der St.-Apern-Straße 29-31 befanden.

Im Jahr 1990 gelang es dem Ehepaar schließlich, den Namen Erich-Klibansky-Platz für das Gelände des ehemaligen Schulhofs der Jawne durchzusetzen.
Darüber hinaus war es ihr Wunsch, den achteckigen Brunnen, der den Innenhof des Wohn- und Galerienkomplexes schon seit 1982 schmückte, in einen Ort der dauerhaften Erinnerung an die Geschichte des jüdischen Zentrums umzuwandeln, das sich dort bis 1942 befand. Dieter und Irene Corbach nahmen Kontakt mit der Allianz Grundstücks-GmbH auf, die das Vorhaben schließlich genehmigte.

Es gelang ihnen Hermann Gurfinkel (1916–2004) für das Projekt zu gewinnen – einen ehemaligen Schüler der Jawne der sich 1938 in die USA retten konnte, in der Nähe von Chicago lebte und dort inzwischen als Künstler und Bildhauer arbeitete. In Erinnerung an die heroischen Bemühungen seines früheren Schulleiters Erich Klibansky das Leben seiner Schüler und Schülerinnen zu retten, schlug Hermann Gurfinkel vor den biblischen „Löwen von Juda“ auf die Brunnensäule zu setzen.

Der Löwenbrunnen auf dem Erich-Klibansky-Platz im Jahr 2020. (Foto: M. Paret)

Gurfinkels Löwe ist eine mächtige Gestalt mit massiven Klauen und Zähnen, zum Himmel emporgestreckt und, wie der Künstler rezitiert, schreiend: “Dies ist eine schwierige Aufgabe, die Du mir gegeben hast, lieber Herr. Warum hilfst du mir nicht?”
Sogar der Löwe, das stärkste aller Tiere, braucht Hilfe für die Aufgabe, die ihm übertragen wurde – die Bewachung der Zehn Gebote.1

Doch von der Konzeption der Skulptur zu ihrer Realisierung sollte es kein ganz einfacher Weg sein. Hermann Gurfinkel konnte nach einem Schlaganfall die Arbeiten an der Figur zunächst nur mit der linken Hand fortsetzen. Als der Löwe schließlich fertig war und zur Bronzegießerei nach Denver geschickt wurde, kam er aufgrund eines Transportfehlers zerstört dort an.
Hermann Gurfinkel modellierte den Löwen ein zweites Mal und konnte diesen im September des Jahres 1997 am Ort seiner ehemaligen Schule schließlich persönlich enthüllen.

Löwenbrunnen
Auf acht den Brunnen umlaufenden Bronzetafeln sind die Namen von mehr als 1100 deportierten Kindern und Jugendlichen verzeichnet. (Foto: M. Paret)

Dieter Corbach war bereits 1994 verstorben und konnte die Fertigstellung des Gedenkbrunnens nicht mehr miterleben. Eine von ihm recherchierte Liste von deportierten und ermordeten Kölner Kindern und Jugendlichen war jedoch Grundlage für die acht den Brunnen umlaufenden Bronzetafeln, auf denen mehr als 1100 Namen verzeichnet sind.
Irene Corbach, die die Planungen zur Schaffung der Kindergedenkstätte Löwenbrunnen erfolgreich zu Ende brachte, verstarb im Jahr 2005.

Tonaufnahme der Einweihungsfeierlichkeiten

Die ehemalige Jawne-Schülerin Fanny Englard (geb. Dominitz) überließ dem Lern- und Gedenkort Jawne 2015 eine Tonaufnahme der Einweihungsfeierlichkeiten vom 25. September 1997, die sich hier anhören lässt.

Audiomitschnitt, Einweihung Löwenbrunnen, 25.09.1997 / Teil 1

00:00 Osse Schalom (Instrumental) | 01:10 Begrüßung und Geschichte der Entstehung des Löwenbrunnens (Irene Corbach) | 06:28 Der kleine Chaluz (aus dem Singspiel »Der bunte Weg« des Jawne-Lehrers Philip Moddel) 10:30 Grußworte Staatssekretär Dr. Hans Jürgen Baedeker und Renate Canisius (Bürgermeisterin der Stadt Köln) | 21:50 Leschalom (aus dem Singspiel »Der bunte Weg« von Philip Moddel) | 23:15 Enthüllung der Brunnenskulptur »Der Löwe von Juda« und Rede des Künstlers Hermann Gurfinkel | 32:15 Verlesen von Namen ermordeter Lehrer:innen und Erzieher:innen (Almuth Corbach) | 34:35 Enthüllung der Gedenktafeln und Vorstellung des Textes (Johannes Corbach) | 36:40 Verlesen von Namen ermordeter Kinder durch Schüler:innen von sechs Kölner Schulen | 42:22 Einweihung der Gedenkstätte Löwenbrunnen durch den Rabbiner und ehemaligen Jawne-Schüler Erwin Schild (Toronto)

Audiomitschnitt, Einweihung Löwenbrunnen, 25.09.1997 / Teil 2

00:07 Fortsetzung der Einweihungsrede von Rabbiner Erwin Schild | 11:55 Gebet El Male Rachamim (Kantor Shimon Ben Zev) | 16:00 Worte von Rabbiner David Bollag, Stadtdechant Dr. Johannes Westhoff und Superintendent Karl Schick | 31:05 Schalom chawerim (Kanon) | 32:35 Dank (Irene Corbach) | 33:35 Hatikvah (Instrumental)

1 Zitat aus Barbara Stodolas biografischem Text in der Begleitbroschüre zur Ausstellung Hermann Gurfinkel – Hidden Northwest Indiana Legend (15. Mai – 9. August 2015, BRAUER MUSEUM OF ART, Valparaiso University, USA).
(Link zur Ausstellungsbroschüre, PDF)