Am 18. Oktober 2025 ist unsere langjährige Weggefährtin und Freundin Tamar Dreifuss in Köln gestorben. Am 5. März haben wir noch ihren 87. Geburtstag mit ihr feiern können.
Wir werden Tamar sehr vermissen – in unserer Arbeit und in unserem Alltag.

© Lern- und Gedenkort Jawne
Fast 25 Jahre lang hat Tamar Dreifuss in zahllosen Schulstunden, Seminaren und Veranstaltungen Kinder, Jugendliche und Erwachsene über die Zeit des nationalsozialistischen Terrors in Europa aufgeklärt. Für jede Gruppe von Zuhörenden hat sie ganz eigene Worte gefunden, um die Geschichte ihrer Familie in der Shoah zu erzählen und vom Mut ihrer Mutter zu berichten, die ihre kleine Tochter vor der Verfolgung gerettet hat.
Die Autobiographie ihrer Mutter, die Tamar aus dem Jiddischen ins Deutsche übersetzt hatte und aus der sie in ihren Veranstaltungen vorlas, erweiterte und vertiefte das, was ihre Zuhörer*innen von Tamar Dreifuss lernen konnten. 2009 erschien ihr eigenes Kinderbuch „Die wundersame Rettung der kleinen Tamar 1944“. Mit diesem Buch erreichte sie auch jüngere Kinder, ohne sie zu überfordern. Viele Male durften wir im Lern- und Gedenkort Jawne und in Schulprojekten selbst mit erleben, wie beeindruckt und begeistert Schülerinnen und Schüler von Tamars Unterrichtsbesuchen und Projektstunden waren.
Am 5. März 1938 in Wilna geboren, überlebte Tamar Schapiro als kleines Kind eine Zeit im Versteck und im Ghetto Wilna. Ihrer Mutter gelang nach vergeblichen Fluchtversuchen aus einem Deportationszug mit ihrer Tochter an der Hand die Flucht aus einem Zwischenlager. Vater und Großeltern wurden Opfer der Shoah in Litauen.
Mit ihrer Mutter Jetta Schapiro-Rosenzweig und dem Stiefvater konnte Tamar 1948 nach Israel auswandern, wo sie erwachsen wurde und eine pädagogische Ausbildung abschloss. 1959 heiratete sie in Tel Aviv Harry Dreifuss und ging mit ihm nach Köln. 40 Jahre lang war sie als Erzieherin und Religionslehrerin in der Synagogen-Gemeinde tätig. 2001 begann sie ihre Arbeit als Zeitzeugin.
Tamars Cousin, der Künstler Samuel Bak, wie sie ein Überlebender der Shoah aus Wilna, hat für ihre pädagogische Kompetenz einfühlsame Worte gefunden:
„Tamar geht an Schulen, konfrontiert lebhafte Kinder verschiedenen Alters. Und sie hängen an ihren Lippen. (…) In die Seele dieser Menschen hat sie das Wissen gepflanzt, was Rassismus bedeutet, was Intoleranz verursachen kann, und was Menschen fähig sind, einander anzutun. Wir müssen hoffen, dass dieses Wissen sie davor bewahren wird, die Fehler der Menschheit zu wiederholen.“
Tamar wird uns sehr fehlen. Aber die Erinnerung an sie und an das, was sie vermittelt hat, wird viele Menschen ihr Leben lang begleiten.